Akkordeon,
das (un)bekannte Instrument (?)!
Das uns heute als Akkordeon bekannte Instrument blickt auf eine ca. 4500-jährige Geschichte zurück. Die Urform findet sich in der chinesischen Musik, die bekanntlich zu den ältesten Musikkulturen zählt. Hier entwickelte man die tibetanisch-birmanesische freischwingende Durchschlagzunge, welche in ein Instrument mit dreizehn Röhren, die in einen tassenförmigen Kopf münden, eingebaut wurde. Dieser tassenförmige Kopf hat seitlich einen Schnabel, durch den die Tonzungen mit Atemluft versorgt werden. Obwohl bei diesem als Sheng bekannten Instrument die Tonhöhe durch Abdecken der Resonanzlöcher erzeugt wurde, ist dieses Instrument der echte Großvater unseres Akkordeons.
Um vom „Sheng“-Instrument
zur heutigen Akkordeonform zu gelangen, machte die Entwicklung etwa 300
Instrumentenstationen durch. Hier die wichtigsten:
ca.
1500v.CHR.: Das ägyptische Arghuel,
eine Zwei-Rohr-Stimmzungenpfeife.
400 n. Chr.: Die Laos-Orgel, ein feingedrechseltes Holz- oder Elfenbeinfässchen, bei dem die Stimmzunge direkt am Mundansatz angebracht ist.
1586: Die afrikanische Sansa, ein kastenförmiges Holz, auf dem ca. 20 Stimmzungen aus Eisen angebracht sind.
1618: Erste
Erwähnung von Instrumenten mit freischwingender Stimmzunge in Europa, die in Orgeln angewendet wurden.
1762: Benjamin Franklin entwickelt
die Glasharmonika, das erste dem Klavier nachempfundenen
Tastenmodell.
Um
1800: Das Harmonium, ein mit
einem Tretbalg betriebenes Tastenmodell.
1806: Bernhard Eschenbach baut gemeinsam mit Kaspar Schlimbach ein spielfähiges Instrument, die Aeoline.
1820:
Wilhelm Schütz aus Wien
erfindet die Mundharmonika.
1821: Friedrich
Buschmann entwickelt in Berlin ein Stimmgerät auf der Basis von Durchschlagzungen, die Mund-Aeoline.
1822: Buschmann erweitert sein Instrument mit einem Lederbalg und Spieltasten. Seine Hand-Aeoline hat Zug- und Druckzungen.
1829: Zyrill
Demian meldet in Wien das erste Patent auf ein Handbalginstrument an, welches er „Accordion“ nennt.
Bis 1840 wurde die Stimmpalette auf 40 Stimmzungen erweitert und auch an der anderen Seite des Balgs ein Stimmzungenblock angebracht. Das Akkordeon war fertig. Um 1900 wurden hohe Töne auf der rechten, der Diskantseite, und tiefe Töne auf der linken, der Bass-Seite, montiert. Als Tasten wurden kleine, runde Knopfventile verwendet. Zur gleichen Zeit wurden die ersten Klavierharmonikas von Matthäus Bauer in Wien gebaut. Er ersetzte die Knopfventile durch kleine Klaviertasten und änderte die Anordnung der Stimmzungen.
In
der Zeit von 1850 bis 1900 wurde die „Mundharmonika mit Balgidee“ weltweit
exportiert, zum Beispiel ab 1857 von Matthias Hohner und ab 1859 das Bandoneon
aus Deutschland, ab 1860 von Christian Messner aus Österreich, ab 1870 aus
Russland das Bajan und die Harmoschka, ab 1877 aus England die Concerina und
aus Italien ab 1863 von Paolo Soprani und ab 1897 von Scandalli. Alle
Instrumente dieser Hersteller haben die klassischen drei Bestandteile des
Akkordeons:
a)
Diskantteil
b)
Balg
c)
Bassteil
Unterschiede finden sich nur in der Bedienungsform und in der Anordnung der Stimmzungen. Wird bei Zug und Druck der gleiche Ton erzeugt, sprechen wir von einem chromatischen Akkordeon. Gegensätzlich dazu von einem diatonischen Akkordeon, wenn bei Zug und Druck des Balgs verschiedene Töne erzeugt werden. Von der Bedienungsform unterscheidet man im Diskantteil das Knopfgriff-Akkordeon und das Piano-Akkordeon, welches die vom Klavier bekannten Tasten besitzt. Im Bassteil haben sich bis heute vier Gruppen gebildet:
a)
Das Einzeltonmanual- hier erklingt je Knopf nur ein Ton in der Tonhöhe des
Diskantteils;
b)
Das Basswerk - hier erklingt je Knopf ein Ton in der Bassoktave
c)
Das Akkordwerk - durch eine komplizierte Mechanik werden hier je Knopf drei bis
vier Töne zum Akkord gemischt;
d)
Das Konvertersystem - durch eine mechanische Umschaltung kann sowohl die Einzeltontechnik als auch eine Kombination
aus Bass- und Akkordwerk bedient werden.
Die
zuletzt genannte Technik stellt heute die interessanteste Instrumentenform dar,
da mit einem derartigen Instrument auch alle für Klavier komponierten Stücke
auf dem Akkordeon spielbar sind.
Instrumentengröße, Spielweise und
Einsatzgebiete
In
jeder der oben beschriebenen Akkordeonausführung gibt es verschieden große
Modelle. Sie unterscheiden sich in der Anzahl der zu Stimmstöcken
zusammengefassten Stimmzungen. Für jede Oktavlage gibt es einen Stimmstock zu
je dreizehn Stimmzungen. Stimmzungen, die in der selben Ton- oder Flusslage
klingen, werden zu sogenannten Chören zusammengefasste. Je größer die Chorzahl
eines Instrumentes ist, desto größer ist die Klangvielfalt und der Tonumfang.
Große Instrumente haben einen Tonumfang von nahezu 8 Oktaven. Durch die im
Bass- und Diskantteil angebrachten „Register“ ist es möglich, ähnlich der
Orgel, mehrere Fußlagen zusammenzuschalten, wodurch bei großen Instrumenten ein
wunderbarer orchestraler Klang erreicht wird.
Zur
Spieltechnik des Akkordeons gibt es viel zu sagen. Hierfür nur das Wichtigste:
Beginnt
ein Anfänger auf dem Akkordeon zu spielen, so hat er es zunächst einmal leicht.
Sofern er die zu den Noten passenden Tasten drückt, kommt auch zuverlässig
immer der richtige Ton. Der fortgeschrittene Akkordeonist beherrscht jedoch
nicht nur das schnelle und sichere technische Spiel der Finger, er kann jeden
Ton zusätzlich durch laufende Veränderung des Balgdruckes formen. Außerdem kann
man es erlernen, durch Spannung des eigenen Körpers und durch die Atmung
Einfluss auf die Tonformung zu gewinnen. Daher ist das Akkordeon, perfekt
gespielt, das einzige Instrument, bei dem mit den Fingern, den Händen, dem
Körper und der Atemluft Einfluss auf die Töne ausgeübt wird.
Deshalb gibt es auch eine Vielzahl an Anwendungsgebieten. Das Akkordeon hat von jeher seinen festen Platz in der Volksmusik. In den letzten 20-30 Jahren gewinnt das Akkordeon durch die erwähnten technischen Entwicklungserfolge auch einen feste Platz im Konzertsaal. Seit einigen Jahren ist es als Hauptinstrument im Musikstudium zugelassen. Das Akkordeon ist ein hervorragendes Solo-, Gruppen-, und Orchesterinstrument. Es gibt wohl kein anderes Instrument, das man ausschließlich für die Besetzung eines ganzen Orchesters nehmen kann. Oder hat schon mal jemand ein großes Orchester gesehen, das nur aus Flöten oder nur aus Geigen bestand? Ein Akkordeon kann also als Soloinstrument begeistern oder im Orchester überzeugen, einem anderen Instrument wird das nur schwer gelingen.
Das Akkordeon als Kulturträger
Das Akkordeon hat sich in seiner kurzen Geschichte in vielen Kulturen als bestimmend für die Volksmusik etabliert. Man denke nur an unsere europäischen Nachbarn. Der Musette-Walzer aus Frankreich wird unwillkürlich mit dem Akkordeon verbunden. Die Irische Folkmusic kann man sich ohne das Akkordeon nicht vorstellen. Für die melancholische Volksmusik aus Russland ist das Akkordeon zusammen mit den Balalaikas verantwortlich. Auch die anfangs des jahrhundertst etablierten Tänze wie Polkas, Walzer, Two-Steps und Bostons waren ohne Akkordeon nicht vorstellbar. Auch in Übersee wurde das Akkordeon zum Kulturträger. Sicherlich verbindet jeder den südamerikanischen Tango mit Astor Piazzola und dem Akkordeon. Auch in Nordamerika ist das Akkordeon weit verbreitet. In den südlichen Staaten ist das Akkordeon Teil der Cajun oder Zydeco Musik.
Auch
in den deutschsprachigen Ländern ist das Akkordeon ein wichtiger Teil der
Volksmusik.
Aber das Akkordeon hat in Deutschland nicht nur in der Volksmusik seinen Bestandteil. Nachdem in Trossingen von Hermann Schittenhelm das erste Akkordeonorchester , das Hohner-Sinfonie Orchester gegründet wurde, welches unter der Leitung seines Schülers Rudolf Würthner zu Weltrum wuchs, wurden besonders in Süddeutschland viele Akkordeon-Orchester gegründet. Einige der ältesten Akkordeon-Orchester Deutschlands finden sich in Südbaden mit dem HHC Denzlingen und der Akkordeongilde Freiburg. Diese beiden Orchester sind stark mit dem Namen Josef Asal verbunden. Einer seiner Schüler Gottfried Kretschmer war der erste Dirigent unseres Vereins und ist immer noch in der Ausbildung bei uns tätig.